Ich habe Kapital von der Pensionskasse bezogen und beschreibe hier, warum und wie ich das gemacht habe.
Mit der Schwierigkeit der Pensionskassen, eine passable Rendite zu erzielen, um für die Versicherten eine lebenslange Rente bezahlen zu können, zeichnen sich verschiedene Handlungsstränge ab. Ein beliebtes Mittel ist es, den Umwandlungssatz senken. Bei einem Umwandlungssatz von 6.8% werden beispielsweise bei einem persönlichen Guthaben von 1000 Geldeinheiten jedes Jahr 68 Einheiten als Rente ausbezahlt. Mein ehemaliger Arbeitgeber hatte sich 2015 entschieden, diesen Satz innerhalb von 10 Jahren auf 4.9% zu senken. Damit würden einer 65-jährige Person im Jahr 2025 nur noch 49 Einheiten Rente bezahlt werden. Das entspricht einer Leistungsreduktion von 28%!
Mit der steigenden Langlebigkeit der Pensionäre zwingen Pensionskassen diese zunehmend dazu, sich Kapital auszahlen lassen, anstatt eine Vollrente zu beziehen. Kapitalbezug, Senkung des Umwandlungssatz und eine tiefere Verzinsung als die Marktrendite sind Mittel der Pensionskassen (PK), sich gegen Finanzierungsengpässe zu schützen.
Der Staat seinerseits fühlt die Effekte der Langlebigkeit ebenfalls und greift über Steuerung des Pensionsalters, Vorschrift der Mindesverzinsung und des Umwandlungssatzes für den obligatorischen Teil der Pensionskasse ins Geschehen ein. Seit der Einführung der AHV in 1948 gilt in der Schweiz für Männer das Pensionsalter 65. Trotz steigender Lebenserwartung wurde dies nie angepasst. Bei den Frauen lag das Rentenalter zu Beginn bei 65 und wurde in mehreren Schritten auf 63, dann 62 und zuletzt auf 64 verändert.


Für das Individuum stellt sich damit die Frage, ob ein Erwerbsleben bis zum gesetzlichen Rentenalter oder darüber hinaus erstrebenswert sei. Das schweizerische Model der höchsten Arbeitgeberbeiträge in den letzten Jahren vor der Pensionierung steht einem langsamen Auskoppeln entgegen – ein goldener Käfig wird geschaffen, wo in den letzten Arbeitsjahren nicht nur gearbeitet werden soll, sondern auch im Vollpensum. Experimente mit Selbständigkeit, Teilzeitarbeit oder längeren Arbeitsunterbrüchen schlagen sich in einem markant geringeren Altersguthaben nieder.
Das Pensionsalter wird ansteigen müssen und die Umwandlungssätze werden weiter sinken. Gleichzeitig fehlt für die Versicherten der Pensionskassen die Möglichkeit, Anlagen nach eigenem Gutdünken zu tätigen und mit langfristigen Renditen von 5% auf dem Aktienmarkt durch Zinseszinseffekt Kapital aufzubauen. Somit lohnt es sich, schon früh parallel zu sparen und investieren.
Ich beschreibe nachstehend, wie der Prozess funktioniert, der zur Auszahlung des Alterskapital führt und wie die Quellensteuern unter Umständen zurückgefordert werden können. Als Voraussetzung gilt ein Auslandwohnsitz, mindestens 3 Jahre seit letzter Einzahlung in die PK und eine vorgängige Beschäftigung in der Schweizer Privatwirtschaft. Für Pensionskapital aus öffentlich-rechtlichen Beschäftigungen kann die CH Quellensteuer grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Hier lohnt es sich, vor Auszahlung eine Freizügigkeitsstiftung in einem Kanton mit tiefer Quellenbesteuerung zu wählen.
Schritt 1: Kontakt zur Freizügigkeitsstiftung aufnehmen
Die Stiftung nennt mir per e-Mail alle Infos, die eingereicht werden müssen, um das Kapital auszubezahlen:
- Original der Abmeldebestätigung der letzten Wohnsitzgemeinde in der Schweiz
- Original einer aktuellen Immatrikulationsbestätigung der Schweizerischen Botschaft
- Aktuelle und gültige Passkopie
- Original eines aktuellen Personenstandsausweises (erhältlich bei der Schweizer Heimatgemeinde)
- Auflösungsformular (der Freizügigkeitsstiftung)
Schritt 2: Alle Formulare und Dokumente einholen
Das Original der Abmeldung habe ich noch. Andernfalls könnte man das bei der Einwohnerkontrolle des letzten Wohnortes in der Schweiz bestellen.
Die aktuelle Immatrikulationsbestätigung kann per e-Mail beim Konsulat bestellt werden. Dazu müssen EUR 50 überwiesen werden. Mit SEPA-Zahlungen geht das gleichentags. Ein paar Tage später kommt das Dokument als eingeschriebener Brief bei mir an. Der Personenstandausweis kann ebenfalls per e-Mail bestellt werden. Dazu müssen CHF 35 überwiesen werden. Das dauert 1-2 Tage, und das Dokument kommt 5 Tage später per Post.
Die Stiftung braucht ein paar Angaben, wiederum per e-Mail, um das Auflösungsformular vorbereiten zu können. Besonders sticht die Frage nach freiwilligen Einkäufen in den letzten 3 Jahren heraus. Falls das Kapital vorher bezogen werden soll, werden die Einkommenssteuern fällig, die damals eingespart worden sind.
Die Passkopie kann in der selben e-Mail übermittelt werden und das Auflösungsformular lag nach wenigen Tagen im Briefkasten.
Schritt 3: Meldung an die Bank machen
Weil jede Zahlung auf Verdacht auf Geldwäscherei geprüft wird, lohnt es sich, der Bank mitzuteilen, dass ein Betrag reinkommenn wird. In meinem Fall habe ich mich zudem nach dem Zinssatz erkundigen, der 2021 immer negativer wurde.
Schritt 4: Alle Dokumente einreichen
Dies dauerte bei mir ein paar Tage länger als nötig, weil das Postbüro in der Nähe permanent geschlossen war und ich ins Hauptpostamt gehen musste, um die Originale eingeschrieben zu verschicken. Genau 6 Tage später war der überobligatorische Teil der Pensionskasse überwiesen, reduziert um 4.7% Quellensteuer. Dieser Prozentsatz hängt vom Kanton ab, in welchem die Vorsorgeeinrichtung domiziliert ist.
Insgesamt dauerte es 3 Wochen, bis das Geld auf meinem Konto war.
Schritt 5: Deklaration in der Steuererklärung
Nach Ablauf des Steuerjahres kann die Steuererklärung ausgefüllt werden. Hier gilt es nun herauszufinden, wie Vorsorgegelder in der lokalen Sprache und Rechtssprechung bezeichnet werden und wo sie eingetragen werden müssen. Es kann sich aufdrängen, im DBA Artikel 18 in beiden Länderversionen zu lesen (Luxemburg | Schweiz). In meinem Fall wurde ich in der Steuererklärung fündig unter „Rückzahlung aufgrund eines Altervorsorgevertrages“ im Feld 1127.


Schritt 6: Rückfragen durch Steuerbehörden
Zwei Monate später verlangte der Steuerbeamte per e-Mail weitere Details zu meiner Steuererklärung, darunter auch Belege für Überweisungen und Quellensteuerabzug sehen. Ich habe auf allgemeine Informationen des BSV verwiesen und Bezug auf das DBA genommen.
- Auszahlungsabrechnung der Bank
- Ich lege auch gleich den CH-Rückforderungsanspruch bei (siehe nächster Schritt). Wortlaut: „Darf ich sie bei dieser Gelegenheit darum bitten, zuhanden der Behörden in der Schweiz zu bestätigen, dass ich die CHF xxx’xxx Kapitalleistung einer Vorsorgeeinrichtung (mit Sitz in der Schweiz) in Luxembourg korrekt versteuert habe?“
Schritt 7: Rückforderungsanspruch einreichen
Wenn mit der Schweiz kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) existiert (oder das Kapital aus einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis stammt), dann ist die Quellenbesteuerung (in meinem Beispiel 4.7%) definitiv. Für Kapital aus privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen besteht dagegen in vielen Ländern Rückforderungsmöglichkeiten. Das Rundschreiben 166 der Eidgenössischen Steuerverwaltung hält ab Seite 9 fest, wo.

Ein Formular Q-IS „Antrag auf Rückerstattung der Quellensteuer auf Leistungen von Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz in der Schweiz“ gibt es bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung.
Es wird ausgefüllt an den Steuerbeamten im Wohnsitzland geschickt, wie oben beschrieben. Es wurde mir 1-2 Wochen später zugestellt.

Nun muss das unterschriebene Formular innert drei Jahren nach Fälligkeit der Quellensteuern an die Steuerbehörden in demjenigen Schweizer Kanton geschickt werden, wo die Vorsorgestiftung ansässig ist.
- Formular
- Auszahlungsabrechnung der Bank
Schritt 8: Steuern bezahlen im Wohnsitzland
Das DBA hält in etwas kompliziertem Juristendeutsch fest, dass Ruhegehälter, die einer in einem Vertragsstaat (Luxemburg) ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit (in der Schweiz) gezahlt werden, nur in diesem Staat (Luxemburg) besteuert werden. Das hatte ich initial anders interpretiert und gehofft, nur quellenbesteuert zu werden.
Luxemburg zählt das erhaltene Vorsorgegeld zum übrigen Einkommen hinzu und berechnet auf dem totalen Einkommen einen „globalen“ Steuersatz. Dieser wird auf das in Luxemburg erzielte Einkommen angewendet, wodurch Zusatzsteuern fällig werden, die etwa 40% tiefer sind als die bereits in der Schweiz im günstigsten Kanton bezahlte Quellensteuer.
Beeinflusst werden kann die Zusatzsteuer also durch die steuerbare Lohnsumme. Diese könnte durch Teilzeitpensum, Sabbatical oder Kündigung reduziert werden. Da ich nur 7.5 Monate ein Einkommen hatte, jedoch das ganze Jahr in Luxemburg wohnhaft war, wurde der höchste Steuersatz auf eine beschränkte Lohnsumme angewendet, wodurch ich am Ende nur 0.93% Steuern auf dem Pensionskapital zu bezahlen hatte. Dass ich mir das durch 4.5 Monate Lohnausfall erkauft habe, ist vielleicht der einzige Wermutstropfen.
Schritt 9: Rückerstattung
Nach einer Wartezeit von 3 Wochen wurde die Quellensteuer Anfang Juli 2022 zurückerstattet. Insgesamt dauerte der Prozess 1.5 Jahre, weil ich das Geld bereits im Januar 2021 hatte auszahlen lassen.
Fazit
Falls sich die Quellensteuer wie in der Kombination Schweiz-Luxemburg dank Rückerstattung aus der Gleichung entfernt, sind es nur noch die Steuern im Wohnsitzland, die über die Effizienz einer solchen Auszahlung entscheiden. Für eine Steuergutschrift von +4.2 % Kontrolle über bisher unversteuertes Einkommen zu erhalten, ist fantastisch. Noch günstiger wäre es in einem Land wie Thailand oder Singapur geworden, wo gar keine Steuern auf Pensionskapital aus dem Ausland erhoben werden.
Kapital Pensionskasse | 700 + 300 (freiwillige Einzahlungen) = 1000 Einheiten |
Einkommenssteuer-Effekt* | + 5.1 % (Ø 4 Jahre vor Bezug, nicht abdiskontiert) |
Quellensteuer CH-SZ | – 4.7 % |
Zusatzsteuer LUX | – 0.9 % (zu bezahlen 1.5 Jahre nach Kapitalbezug) |
Rückerstattung Quellensteuer CH-ZH | + 4.7 % (wurde erstattet 1.5 Jahre nach Kapitalbezug) |
Gewinn risikolos | + 4.2 % (über alle 5.5 Jahre hinweg) |
* durch steuerbefreite Einzahlung von je 100 Einheiten in den Jahren 5, 4 und 3 vor Bezug konnten Einkommenssteuern gespart werden (natürlich wäre ein Aktienfonds rückblickend lukrativer gewesen, doch diese Rendite war risikofrei)
Die Besteuerung von 1000 Geldeinheiten kostet an verschiedenen Orten
Steuersatz | als Einkommen versteuert | als Kapitalbezug versteuert |
Luxemburg | 40 % | 1-3 % |
Stadt Zürich | 32 % | 5-30 % |
Stadt Genf | 36 % | 5-9 % |
Stadt Schwyz | 25 % | 3-12 % |
In der günstigsten Stadt Schwyz hätte ich verglichen mit Luxemburg für den Kapitalbezug wohl das 5-fache an Steuern bezahlen müssen (Cash Steuerrechner). Der Auslandbezug lohnt sich in Zusammenarbeit mit Kapitalzahlungen finanziell. Mit der Überführung der Vorsorgegelder ins Privatvermögen kann ich
- nach eigenen Vorstellungen investieren und das als restriktiv empfundene Korsett der Pensionkassen sowohl in Anlageklasse als auch in der Geographie sprengen
- Voll an der Marktentwicklung partizipieren, was trotz Krisen langfristig 5% Rendite bringen dürfte.
- flexibel auf Liquiditätsbedarf reagieren
- erneut Einzahlungen in die Pensionskasse tätigen, um Einkommenssteuern zu reduzieren (inzwischen bin ich wieder einer Pensionskasse angeschlossen)
- spätere Einkommenssteuern vermeiden, die in vielen Ländern auf Renten erhoben werden
- und muss ich diverse Risiken selbst tragen
- und muss ich der politischen Entwicklung folgen, das im Bereich Altersvorsorge vieles im Fluss ist
- und der Frage nach Steuerdomizil künftig vermehrte Aufmerksamkeit schenken, da Vermögen, Dividendeneinkommen und Kapitalgewinne jetzt stärker zu Buche schlagen.
Foto von Stuart auf Flickr