Als 2017 die Regierung in Weissrussland eine Steuer auf Arbeitslosigkeit einforderte, ging es nicht lang, bis ein Sturm der Entrüstung durch die Bevölkerung ging, welche die „Parasitensteuer“ vehement bekämpfte. Präsident Lukaschenko ruderte zurück und orderte die Rückerstattung der bereits bezahlten Beträge an.
Die Regierung hatte sich von Sovietzeiten inspirieren lassen, als Arbeitslosigkeit bestraft werden konnte. Die Steuerkasse war leer und was lag näher, als ein paar arbeitsscheue Parasiten durch eine Zwangsabgabe zum Arbeiten zu zwingen?
Frugalisten wollen möglichst viel einnehmen, möglichst wenig ausgeben und möglichst gewinnbringend investieren. Dies mit dem Zweck, finanziell unabhängig zu werden. Manchmal geht dies mit einem frühzeitigen Ruhestand einher. Etwas, das manchen Regierungen ein Dorn im Auge ist. Denn wer nichts verdient und keine Einkommenssteuern bezahlt, trägt nicht genug zum Staatshaushalt bei. Ganz schlimm ist es auch, wenn eine teure, mit Steuergeldern finanzierte Ausbildung ungenutzt bleibt; wenn Ärzte, Ingenieure und Piloten ihren Beruf nicht ausüben können oder wollen.
Wo beginnt das ungebührende Ausnutzen den Staates? Ist es Teilzeitarbeit, eine selbstgewählte Arbeitslosigkeit, unbezahlte Auszeiten, Ehepartner ohne bezahlte Arbeit, (bezahlte) Mutterschaftsurlaube in Serie, trotz Auswanderung die obligatorische Krankenversicherung im Heimatland beanspruchen, Auswandern zur Vermeidung von Militärdienst? Vermutlich kommt es auf den Einzelfall an. Ein Abweichen vom Verhaltensstandard in einer Gesellschaft gibt immer Anlass zu Fragen. Besteuert werden soll die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ eines Individuums, doch was ist, wenn ein Akademiker in schlecht bezahlten Jobs arbeitet oder sich eine kerngesunde Person für ein Teilzeitpensum entscheidet?
Ich gehe anhand der wichtigsten Steuerabgaben der Frage nach, wieviel Personen aus den folgenden Kategorien zur Finanzierung der Gesellschaftsausgaben beitragen:
- Normalos, die ein Leben lang arbeiten und sich mit 65 Jahren zur Ruhe setzen
- Frugalisten, die mit einer Mischung von Sparen und Investieren lange vor dem regulären Ruhestand aus dem Erwerbsleben aussteigen und 20 Jahre im günstigen Ausland verbringen, bevor sie sich in der Heimat zur Ruhe setzen.
- Öko-Asketen, die Teilzeit arbeiten und sich dank Garten und Tauschhandel kostengünstig mit allem Nötigen versorgen können. Sie arbeiten ein Leben lang im Heimatland und setzen sich mit 65 Jahren zur Ruhe.
Die anteilsmässig wichtigsten Steuerarten für Individuen sind die Umsatz-, Lohn- und Einkommenssteuer. Daneben gibt es noch viele weitere Steuern für Personen oder Firmen; Deutschland beispielsweise kennt 50 Steuerarten.

Verfolgen wir die drei Charaktere ab Alter 20 und rechnen wir mit folgenden Werten:
- Normaler Jahreslohn = 100 Einheiten
- 20% Einkommenssteuern (z.B. Schweiz)
- 20% Mehrwertsteuer (der europäische Durchschnitt)
- 10% Mehrwertsteuer im Ausland
- 4% Rendite auf private Investments
- 2% Rendite Pensionskasse
- Alle Ersparnisse sind vollständig investiert, keine Cashposition vorhanden
- Es gibt keine Unterbrüche im Erwerbsleben
- Rentenanspruch mit 65 Jahren zu mit 60% des früheren Jahreslohnes
- Lebenserwartung 90 Jahre
- 5% Erbschaftssteuern
Im Laufe ihres Lebens erarbeiten die drei Zielgruppen folgende Betragseinheiten. Als Sparen & Investment ist derjenige Anteil bezeichnet, der nach Abzug der Erbschaftssteuer am Lebensende übrig bleibt.
Konsum | Steuern | Sparen & Investments | Total | |
Normalo | 3216 | 1914 | 1196 | 6325 |
Frugalist | 2639 | 1279 | 1846 | 5764 |
Oeko-Asket | 1788 | 970 | 0 | 2758 |
(Berechnungsdetails stehen auf Anfrage zur Verfügung)
Rein rechnerisch ist der Normalo der perfekte Staatsbürger. Durch seine Produktivität liefert er im Laufe seines Lebens 19 von 45 Jahressalären dem Staat als Steuern ab. Sein ökonomischer Fussabdruck umfasst 6300 Einheiten, was soviel bedeutet wie das 63-fache Basissalär. Er spart und investiert 10% seines Lohnes und lebt ansonsten ein gutes Leben.
Der Frugalist arbeitet 25 Jahre lang und spart und investiert dabei radikal. Er spart 40% seines Lohnes, was bei einer Steuerlast von 20% bedeutet, dass er mit den verbleibenden 40% seinen Lebensunterhalt decken kann. Das setzt einen überdurchschnittlichen Lohn, tiefe Steuern oder Leidensvermögen voraus (oder eine Mischung aus allen). Dank Investments mit 5% Rendite kann er bei Bedarf Überschüsse abschöpfen, wobei immer noch genug Substanz übrig bleibt, um sich 20 Jahre im Ausland finanzieren zu können. Dort lebt er mit 30% seines früheren Lohnes im Vorruhestand und muss – in Theorie – ausser Mehrwertssteuern 20 Jahre lange keine Steuern abliefern. Natürlich wird er in der Praxis mit allerlei Gebühren konfrontiert werden, aber verderben wir ihm hier nicht die Freude ;-). Im Laufe seines Lebens bezahlt er ein Drittel weniger Steuern als der Normalo, liefert jedoch noch immer 12 – 13 Jahressaläre ab, was bei 25 Erwerbsjahren die Hälfte seines Lohnes ist. Sein ökonomischer Fussabdruck umfasst 5750 Einheiten, was soviel bedeutet wie das 57-fache Basissalär.
Der Oeko-Asket hat einen schmalen ökonomischen Fussabdruck mit 2750 Einheiten, was soviel bedeutet wie das 27-fache Basissalär. Er arbeitet nur 50%, konsumiert nur etwa 60% eines Normalos und schränkt sich entsprechend ein. Mit seiner Lebensweise kann er nichts sparen und er hat keinen Notgroschen. Er ist, was mit „geldarm und zeitreich“ treffend umschrieben werden kann. Altersarmut ist reales Risiko.
Fazit
Alle untersuchten Gruppen leben im Normalzustand aus eigener Kraft, ohne den Staat in seiner Sozialfunktion zu beanspruchen. Ein Oeko-Asket bezahlt im Rechenbeispiel bloss die Hälfte der Steuern eines Normalos, doch wäre es nicht passend, in diesem Zusammenhang von Parasitismus zu sprechen.
Wo der Staat wichtige Dienstleistungen wie Gesundheit und Ausbildung gratis anbietet und über Steuereinnahmen finanziert, profitiert der Oeko-Asket klar mehr als der Normalo. Insofern ist es verständlich, dass in sozialistischen Regimes Wenigarbeiter und Arbeitslose angefeindet werden.
Der Vorruhestand des Frugalisten im günstigen Ausland kann als Steuerflucht aufgefasst werden und konservative Leser werden 20 arbeitsfreie Jahre als Schmarotzertum etikettieren wollen. Doch wer träumt nicht davon, ohne finanziellen Zwang das zu tun, woran er glaubt, was Spass macht und was etwas bringt. Dank finanzieller Unabhängigkeit kann die Kategorie „was etwas bringt“ sehr breit aufgefasst werden. Kaum jemand wird es schaffen, 20 Jahre lang untätig rumzusitzen und die Wahrscheinlichtkeit, dass dabei eine gesellschaftlich relevante Tätigkeit verrichtet wird, ist hoch. Zum Beispiel das Erziehen eines Kindes . Was von arbeitsteiligen Paaren praktiziert wird, wo ein Partner zuhause bleibt und die Kinder ohne Lohn betreut. Hier wird wohl niemand von Schmarotzertum sprechen wollen, bloss weil nicht beide zum Steuersubstrat beitragen.
Es soll auch nicht vergessen werden, dass Steuervermeidung viele Formen annehmen kann, von der Ausnutzung aller Abzugsmöglichkeiten in der Steuererklärung, steuerorientierte Familienplanung, Zivilstandsänderungen vor der Pensionierung, über Firmengründungen und optimierten Finanzkonstrukten bis hin zu Geo-Arbitrage und illegalen Praktiken. Länder, Gebiete und Kommunen legen Regeln fest und es steht den Teilnehmern frei, sich innerhalb dieser Regeln zu bewegen.
Im internationalen Steuerwettbewerb gibt es zahlreiche Länder, die unglaubliche Steuersätze haben, sowohl im positiven wie im negativen Sinn. Ein paar Beispiele aus Wikipedia :
Land | Einkommenssteuern | Mehrwertsteuer |
Andorra | 10% | 4.5% |
Bahamas | 0 – 8.8% | 12% |
Dänemark | 40 – 56% | 25% |
Deutschland | 14 – 47% | 19% |
Frankreich | 45% | 20% |
Indonesien | 5 – 30% | 10% |
Kanada | 19 – 54% | 15% |
Malaysia | 0 – 28% | 10% |
Schweiz | 0 – 50% | 7.7% |
Thailand | 0 – 35% | 7% |
Die Steuersätze sind im Alltag wenig relevant, viel spürbarer sind die Lebenshaltungskosten. Ein Land, das die gesamte Gesundheitsvorsorge und staatliche Pension in die Steuern reinpackt, kann ein besseres Leben ermöglichen als ein Land, wo alles separat bezahlt werden muss.
Wenn Parasiten gesucht und gefunden werden sollen, dann am ehesten in einigen Einzelfällen, die das System schamlos oder in betrügerischer Absicht ausnutzen. Hier braucht es ganz einfach wirksame Kontrollen, um Missbrauch zu vermeiden. Ohnehin müssen sich Frugalisten nicht dem Vorwurf gefallen lassen, Sozialschmarotzer zu sein. Zu zahlreich sind andere gesellschaftliche akzeptierte Akteure wie Arbeitslose, Sozialbezüger und Elternteile, die zuhause Kinder aufziehen.
Frugalisten-Links
- Oliver von den Frugalisten – Deutschland
- Marc von Mustachian Post – Schweiz
- Financial Independence Hub – Europa
- Jacob von Early Retirement Extreme – USA
- Peter, Mr. Money Moustache himself – USA
Foto von Tom auf Flickr
