Stell‘ dir vor, monatelang deinem Hobby zu frönen und gerade, wenn sowas wie Routine aufgekommen ist, springst du in den nächsten befristeten Job, um etwas zu tun, das Geld einbringt und auf eine andere Art stimulierend ist. Nur einmal pro Jahr arbeiten. Geht das überhaupt?
Die abendliche Diskussion mit M. ist einmal mehr inspirierend. Er hat bereits vor Jahren seinen gut bezahlten Job in der Finanzwelt geschmissen, einfach weil er mal was anderes machen wollte. Nach einem Jahr Reisen hat er sich danach eine Selbständigkeit mit Angestellten aufgebaut, die soviel abwirft, dass er sich Mitte 40 zur Ruhe setzen könnte. Aber das will er nicht, denn Arbeit bringt auch soziale Kontakte, Anerkennung und intellektuelle Herausforderung mit sich. Während die Ersparnisse ein lebenslanges Einkommen für günstige Standorte wie Portugal, Ungarn oder Polen sicherstellen könnten, möchte er sich weiterhin in der Schweiz aufhalten. Dafür muss er sich einen Zustupf verdienen. Mit der unkonventionellen Absicht, nur noch einmal pro Jahr arbeiten zu gehen.
Gut vernetzte und erfahrene Berater verdienen in der Finanzindustrie bis zu 2000 Franken pro Tag! In einem dreimonatigen Mandat landen so bis zu 120’000 Franken in der Tasche. Selbst wenn der Tagessatz die Hälfte betragen sollte, lässt sich der Lebensstandard dadurch zusammen mit dem Einkommen aus Ersparnissen auf Schweizer Niveau hieven.
Mit geschicktem Design der Fixkosten lässt sich zudem ein flexibles Modell schaffen, das in Zeiten des Wohlstandes höhere variable Ausgaben zulässt und in Zeiten der Knappheit auf ein Minimum heruntergefahren werden kann. Dieser Artikel stellt ein paar Kostensparmöglichkeiten vor.
Auf der Suche nach finanzieller Unabhängigkeit und frühzeitiger Pensionierung gibt es ein weiteres Modell, das diskutiert wird: Barista FIRE. Hier wird postuliert, dass mit einigen Stunden Arbeit pro Woche in einem Job der Wahl (z.B. in einer Kaffeebar, deshalb der Begriff „Barista“) ein Zustupf verdient wird, der zusammen mit dem bereits angesparten finanziellen Grundstock den gewünschten Lebensstandard finanzieren hilft. Diese und weitere Tätigkeiten (AirBnB-Vermietung, Servieren, Hundesitter oder Velokurier) lassen sich teilweise sogar neben einem 100% Job ausführen, einfach weil es Spass macht (Monetarisierung des Hobbys).
Eine Kollegin arbeitet in ihrer Freizeit in der Stammbeiz, in der sie zuvor jahrelang Gast war. Der Wirt wurde zum Freund und ihr Einsatz war zu Beginn eine Hilfe bei Personalengpass. Doch jetzt trifft man sie jeden Freitag dort an, und das neben einem vollen Arbeitspensum in einer anderen Branche. Ohne nähere Details zu kennen, vermute ich als Beweggründe Sozialkontakte (Arbeit mit Freunden), Verbesserung der Sparquote (Vorzugskonditionen bei Mahlzeiten, Trinkgeld, Lohn), Kontinuität (immer noch zur selben Zeit am selben Ort), Verbesserung der Gesundheit (mehr Bewegung, weniger Alkohol).
Wer sich die finanzielle Unabhängigkeit an seinem Domizil noch nicht leisten kann, tut gut daran, nicht daran zu verzweifeln, dass die notwendigen Millionen noch nicht gespart sind, sondern kann sich vor Augen halten, dass jeder Euro Verdienst einem investierten Vermögen von 25 Euro entspricht (wegen einer hypothetischen 4% Rendite). 20’000 Euro netto pro Jahr entsprechen somit einem investierten Vermögen von 500’000. Es bringt also nichts, den Gürtel extrem eng zu schnallen, denn wer weiss, wieviel Lebenszeit man zur Verfügung hat. Das Leben ruft; mach‘ etwas, das dir Spass macht!
Foto von Eneas de Troya auf Flickr