Selbstdiziplin und Selbstbeherrschung bei Kindern erlauben die Vorhersage von Erfolg im Erwachsenenalter: Gesundheit, materieller Wohlstand und Zufriedenheit unabhängig von sozialem Status und Intelligenz. Umgekehrt führt fehlende Selbstkontrolle zu sozialen Kosten infolge medizinischer Versorgung, Sozialhilfe und Kriminalität.
Derartige Aussagen sind das Ergebnis einer langen Studie, die vor 45 Jahren im neuseeländischen Dunedin begonnen hat. Seit damals werden 1000 Studienteilnehmer, die im selben Spital geboren wurden, alle paar Jahre untersucht und befragt. Ursprünglich diente dies Studie dazu, gesundheitliche Fragen zu beantworten, doch ist daraus längst eine psychologische Studie mit weltweitem Bekanntheitsgrad geworden.
Beispielhaft dafür darf der Marshmallow-Test erwähnt werden, der in den 1970-er Jahren Kindern vor die Wahl stellte, eine Süssigkeit sofort zu essen oder zu warten und dann mit einer zweiten Süssigkeit belohnt zu werden. Die Kompetenz zu Belohnungsaufschub wurde mit steigendem Alter besser. Die Studie konnte zeigen, dass die Testpersonen im Erwachsenenalter bessere Leistung im Schulabschlusstest (SAT) und einen geringeren Hang zu Übergewicht hatten, die auf die zweite Süssigkeit warten konnten. Kritiker sehen hier nicht die Selbstkontrolle im Vordergrund, sondern behaupten, dass der Test lediglich das Vertrauen in Autoritätspersonen misst oder das Erlernen von alternativen Strategien wie z.B. sich ablenken zu können, die Süssigkeit als unerwünscht zu definieren oder die Situation intellektuell zu analysieren.
Dass sich Selbstkontrolle derart ins Rampenlicht rücken konnte, kam wohl auch für die Forscher der Dunedin-Studie etwas überraschend. Für Studienleiter Richie Poulton sind die Daten eine nie versiegende Quelle. Er sei noch nie so unpolitisch wie jetzt gewesen und lasse gerne die Daten für sich sprechen.
Gerade weil impulsives Verhalten in Kleinkindern auf späteres Verhalten schliessen lässt, ist Poulton ein Verfechter der frühen Interventionen geworden. Er meint, dass diese Eigenschaften weder statisch sind noch sich negativ auswirken müssen und sieht die Notwendigkeit, so früh im Leben wie möglich Geduld, Fokus, Durchhaltewillen und Disziplin beizubringen. Als Metapher wird eine Pistole gezeigt, die mit der angeborenen Persönlichkeitseigenschaft geladen ist. Erst ein auslösender Faktor führt dazu, dass der Trigger betätigt wird.
Die gute Neuigkeit ist, dass sich nur rund ein Fünftel aller untersuchten Kinder in den Risikokategorien „wenig kontrolliert“ und „gehemmt“ befinden.
Doch selbst in den anderen Kategorien ist nicht alles perfekt, so dass grundsätzlich alle von Impulskontrolle profitieren können.
Hier ein paar Anreize:
- Fettleibigkeit vermeiden, wenn Nahrung in Fülle und billig erhältlich ist
- Fit bleiben, wenn Jobs mehrheitlich im Sitzen ausgeübt werden
- Ungewollte Schwangerschaften vermeiden, wenn Sexualität schon im Teenageralter ausgelebt wird
- Die Ehe bewahren, wenn Scheidungen einfach durchsetzbar sind
- Suchtfrei bleiben, wenn der Zugang zu Drogen einfach ist
- Ausgaben vermeiden in einer Umgebung von cleverem Marketing
- Fürs Alter sparen, wenn die staatliche oder betriebliche Rente nicht mehr garantiert werden kann
Hier sind ein paar einfache Massnahmen, wie Selbstdisziplin geübt werden kann
- Einen Plan haben und danach handeln
- Für sich Prioritäten festlegen und danach handeln
- Nicht darauf warten, bis sich der richtige Zeitpunkt einstellt, sondern jetzt handeln
- Versuchungen vermeiden
- Sich regelmässig und gesund ernähren
- Sich selbst ab und zu belohnen
Kontraproduktiv wäre es, mit reiner Willenskraft diese Selbstkontrolle auf Biegen und Brechen auszuüben. Falls dabei wichtige Persönlichkeitseigenschaften verdrängt werden, kommen sie später umso heftiger zum Vorschein.
Andererseits gilt auch hier die Coaching-Regel, dass ein neues Verhalten bewusst geübt werden muss, bis es sich nach 30 Tagen wie die eigene Natur anzufühlen beginnt.
Quellen: Dunedin-Studie, Dunedin Präsentation, Dunedin-Blog, Marshmallow-Test
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Das von Google inspirierte Programm „Search Inside Yourself“ bezieht sich ebenfalls auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach Selbsterkenntnis und Achtsamkeit zu mehr Erfolg, geringerem Stress und mehr Wohlbefinden führt. Bereits 1990 hat Professor Kabat-Zinn eine Studie zum Thema „Mindfulness-based Stress Reduction“ veröffentlicht, die mit Meditation und Hatha-Yoga nachweislich zu positiven Ergebnissen geführt hat.