Hitzetraining auf 160 km

Als Vorbereitung auf den Marathon des Sables im April 2018 musste was Handfestes her: tägliche Marathondistanzen, heisse Umgebung und den Rucksack mit Material. 4 Tage lang, 160 km.

Direkt ab Flughafen Singapur auf die Piste: das sollte dem Ganzen noch die Krone aufsetzen. 160 km in 4 Tagen, mit Start jeweils morgens früh, weil der Tag am Äquator nach exakt 12 Stunden zur Neige geht. Während die Strecke zuerst noch den Highlights Singapurs folgt, wird auf den indonesischen Inseln Batam, Garelang und Rempang schnöde der Strasse entlang marschiert. Den Barelang Highway hin und wieder retour, was zumindest aus Planungssicht zu begrüssen ist, denn so werde ich die Wasserstellen auf dem Rückweg besser kennen.

160 Kilometer bedeuten für mich 16’000 kcal Energieverbrauch. Dazu täglich 5 bis 7 Liter Wasser während der 7-stündigen Marschzeit. Und als Zusatzmaterial Stöcke, ein Zelt und eine Matte.

Das Gepäck ohne Wasser ist minimalistisch kompakt und ich komme für eine Woche auf 5.5 kg, wovon ich trotzdem noch einen Teil einchecken muss, bloss weil ein winziges Taschenmesser dabei ist.

Tag 1

Vorher – nachher

In Singapur geht es gemütlich zur Sache. Gestärkt mit einem Fruchtsaft und begleitet von einem ausgewanderten Freund, marschieren wir an zahlreichen Hindernissen und Sehenswürdigkeiten vorbei von Bedok zum Fährhafen Harbour Front.

Dort treffe ich einen anderen Freund, der das Ganze mit leichter Skepsis betrachtet und mir für alle Fälle die Nummer eines Kollegen aus Batam  mit auf den Weg gibt. Die Reaktion der Menschen in meinem Umfeld lassen sich mit „das ist verrückt“ und „das ist gefährlich“ zusammenfassen. Als Ausnahme darf ich meinen Boss erwähnen, der mich bat, Laptop und Telefon mitzunehmen und bei Bedarf online zu gehen.

Die Rettung: isotonische Drinks aus den zahlreichen kleinen Shops unterwegs

Nach kurzer Überfahrt auf die Insel Batam geht mein Marsch weiter. Von Hitze und Müdigkeit gezeichnet, nehme ich die zweite Hälfte in Angriff.

Für die erste Nacht habe ich ein Hotel gebucht, das sich trotz günstigen 14 Franken pro Nacht herrlich behaglich anfühlt, nachdem ich in der äquatorialen Hitze 38 km gewandert bin.

Tag 2

Am nächsten Morgen beginnt die Realität. Nachdem es Tags zuvor äusserst gnädig getröpfelt hat, schüttet es beim Frühstück aus allen Rohren und ich muss mir in der Schnelle eine Regentaktik zurechtlegen. So wandere ich mit Flipflops los, Frisur mit Regenschirm geschützt. Was ich nicht bedenke, ist der Abfluss vom Regenschirm, der munter in meine Joggingschuhe sprudelt.

Meilenstein erreicht, aber irgendwie bin ich an diesem verregneten Tag noch nirgends

Nach rund zwei Stunden lässt der Regen nach und ich wechsle in die nassen Laufschuhe. Sofort sind die trockenen Socken nass und das Unheil nimmt seinen Lauf. Socken reiben an den Schuhen, Socken reiben an den Füssen und nach 45 Kilometern gibt es Blasen und die Fersenzone meiner Schuhe ist erodiert. Zum Glück gibt es hier ein gutes Restaurant, freundliche Leute und ein Platz auf dem Trockenen, denn Himmelswasser möchte ich jetzt keines mehr sehen.

Freundlicher Empfang, Bier und Essen lassen Blasen und Kommunikationsschwierigkeiten vergessen

Tag 3

Nach einer Nacht auf dem Holzboden, begleitet von Meeresrauschen und einer sehr angenehmen Brise, geht es am Tag 3 bei schönstem Wetter weiter. Leider mit geschundenen Füssen und unzureichendem Tape. Omnitape von Hartmann hat denn auch eine Temperaturlimites von 30°C, wie ich danach entdecken muss und der Klebstoff ist überall, nur nicht mehr dort, wo er sein müsste. Weder das Fersentaping hält, noch die Schuhreparatur, so dass mein Leidenstag bei 40°C seinen Lauf nimmt.

Unter sengender Äquatorsonne

Nach 25 km erreiche ich meinen Umkehrpunkt, der taktisch fantastisch bei einem Seafood-Restaurant gelegen ist. Doch ich bin fix und fertig. Nach einer längeren Pause, die unter anderem dazu dienen soll, eine etwas kühlere Tageszeit abzuwarten, marschiere ich wieder los. Unerbittlich die Sonne und etliche Steigungen geben mir zusammen mit den klagenden Füssen den Rest. Nach weiteren 8 km kommt der Punkt, wo mir schwindlig wird und ich Schatten aufsuchen muss, um mich runterzukühlen. Schweiss fliesst zwar noch, doch die Kühlleistung reicht nicht mehr aus. Der einzige Schatten weit und breit befindet sich bei einem Privathaus an der Strasse, wo ich Mutter und drei Kinder bei der Siesta störe. Mit wenigen Worten geben sie mir zu verstehen, dass es ok sei, wenn ich mich an ihren Tisch setze. Dort warte ich, bis die Krise vorüber ist und plane die nächste Etappe.

Es ist bereits 15 Uhr und noch 17 km liegen vor mir. Mit Pausen zusammen würde mich das erst nach 19 Uhr am bereits bekannten Übernachtungsplatz ankommen lassen und das Restaurant wäre dann geschlossen. Zwar habe ich 4000 kcal Nüsse und Datteln dabei, doch in der Hitze schmeckt mir das überhaupt nicht. Bier, Nudelsuppe oder gebratener Reis muss es jeweils sein. Somit entscheide ich mich zum Abbruch mit einer Tagesleistung von letztlich 35 Kilometern.

Tag 4

Der vierte Tag beginnt mit einem tropischen Sturm, wo der Blitz in unmittelbarer Nähe einschlägt und Windböen den sintflutartigen Regen horizontal verfrachten. Über eine Stunde lang warte ich auf der Leeseite, bis der Regen nachlässt. Dann machen die geschundenen Füsse den Entscheid leicht: ich beginne den Rückmarsch mit Flipflops. Das halte ich 4 Stunden aus, bis sich an neuen Stellen Blasen zu bilden beginnen.

Deutlich gezeichnet von Sonnenbrand und Blasen

Zurück geht es in Socken und Schuhen und ohne Pflaster. Immerhin kann ich die offene Wunde desinfizieren und hoffen, dass sich in den ungewaschenen Socken nur freundliche Bakterien befinden. Nach 45 Kilometern ist auch dieser Tag vorbei und ich befinde mich wieder im bereits bekannten Hotel, das sich einmal mehr paradiesisch anfühlt. Bier und Nüsse munden jetzt hervorragend und bieten meinem Abenteuer einen würdigen Abschluss.

Fazit

Eine gewisse Flexibilität im Erreichen meiner Ziele konnte ich an diesem freiwilligen Anlass noch an den Tag legen. Zwischendurch mal ein Taxi nehmen, den letzten Tag ausfallen lassen und am Strassenrand nach Lust und Laune einkaufen, oft eisgekühlte Getränke. Dennoch konnte ich einiges lernen, was die Determination betrifft. Kleine Zwischenziele haben mir über die schwierigsten Phasen hinweggeholfen und auch wenn die Füsse am Ende kaputt waren, war am Ende noch viel Kraft in den Beinen. Das gibt mir Zuversicht, was den bisherigen Trainingsaufbau betrifft.

Natürlich habe ich die kleine Flasche Wein nicht mitgenommen 🙂

Vom Material konnte ich vieles brauchen, dennoch habe ich trotz geringem Gewicht nicht optimal gepackt:

  • Zelt: unbrauchbar bei Starkregen. In den Tropen muss es eine Hängematte mit Moskitonetz sein. Allerdings befand ich mich nie ausserhalb bevölkerter Gebiete – dort gibt es immer ein Dach über dem Kopf. 1 kg für nichts mitgeschleppt
  • Stöcke: Führen in kurzer Zeit zur Blasen an den Händen, besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit. 700 g für nichts mitgeschleppt
  • Nüsse und Dateln: Null Appetit darauf, 900 g für nichts mitgeschleppt
  • Ein T-Shirt aus Merinowolle hat den Dienst geruchsmässig hervorragend absolviert, doch war es dem Kontakt mit dem Rucksack nicht gewachsen und nach nur 4 Tagen in Fetzen. Die dunkle Farbe hat spürbar geheizt, wenn kein Schweiss da war.
  • Schmerzmittel waren unnötig
  • Kaffeepulver gab dem Wasser zwar Geschmack, doch in einer Situation, wo jeder Tropfen zählt, werde ich auf den diuretischen Effekt verzichten wollen
  • Die gekürzte Zahnbürste hat zwar einige Gramm gespart, doch die Handhabung mit dem Finger halb im Mund und letztlich der Verlust aufgrund zu kleiner Grösse haben diesen Vorteil zunichte gemacht.
  • Die 3/4 Schlafmatte funktionierte zwar, bot den wunden Fersen jedoch weder hygienischen Schutz noch komfortable Polsterung in der Nacht.
  • Das Omnitape von Hartmann hat einen Klebstoff, der sich oberhalb 30°C aufzulösen beginnt
  • Die Schuhe hatten schon 250 km auf dem Buckel und leichte Abnutzerscheinungen beim Fersenfutter. Das hat letztlich zusammen mit Wasser zu den Blasen geführt
  • In Unkenntnis der lokalen Lage habe ich oft zu viel Wasser mitgeschleppt. Entlang der Strasse hatte es unzählige Kleinstläden, so dass 1.5 Liter Wasserreserven ausgereicht hätten
  • Die Sonnenbrille und den Buff habe ich nicht gebraucht, das Kepi hat genug Schatten gespendet

Sehr hilfreich waren:

  • Wasserdichte Säcke für Material
  • Verzicht auf Regenschutz. Nass werden im Regen und danach in der Sonne trocknen war die Devise.
  • Passform und Grösse des Rucksackes
  • Kühlende Ärmel
  • Bouillon und Salztabletten, auch wenn es nicht unbedingt ein teures Produkt mit Koffein sein muss
  • Suunto Ambit3 für Distanz-, Höhen- und Temperaturmessung. Leider haben sich am Hitzetag  Druck- und Temperatursensoren verabschiedet, so dass ich die absolvierten Höhenmeter nicht mehr messen konnte
  • Desinfektionsmittel
  • Flipflops am Ende des Tages und zum Wandern mit Blasen
  • Verzicht auf Schlafsack. Die nächtliche Brise war schön warm und hat mich zusammen mit dem Meeresrauschen in den Schlaf gewiegt

Weitere Erkenntnisse:

  • Flüssigkeit brauchte ich pro 6 km (= 1 Stunde) ca. 1 Liter, damit der Urin klar bleibt. Am besten für den Magen sind häufige kleine Portionen. Am Marathon des Sables werde ich wohl etwas länger unterwegs sein und eine leichte Dehydrierung in Kauf nehmen müssen
  • Ich mag Geschmack im Wasser; Pocari Sweat Pulver wird mich glücklich machen
  • Essen brauche ich in der Hitze weniger als gedacht, somit reicht die Hälfte an Kalorien aus, die ich eigentlich verbrauche (2500 kcal pro Tag)
  • Mehr flüssige und salzige Nahrung mitnehmen. Am Ende des Tages mag ich zuerst mal Bouillon ohne die kleinen Kräuter, die den ausgetrockneten Rachen reizen
  • Alle exponierten Hautflächen müssen zwingend vor Sonne geschützt werden
  • Für die Blasenpflege braucht es pro Tag 30 cm Pflaster oder Tape. Der Klebstoff muss halten!
  • Isolationsklebeband sollte bei Reparaturen helfen, wo eine glatte Oberfläche gewünscht ist
  • Leicht zugängliche Taschen für Dinge, die ich während des Marsches brauche, sind praktisch und helfen Zeit sparen

 

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Hitzetraining auf 160 km
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Hitzetraining auf 160 km
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Als Vorbereitung auf den Marathon des Sables im April 2018 musste was Handfestes her: tägliche Marathondistanzen, heisse Umgebung und den Rucksack mit Material. 4 Tage lang, 160 km.

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